Bei einigen Unfallarten ist klar ersichtlich, dass menschliches Fehlverhalten die einzig denkbare Unfallursache ist. Hierzu gehören beispielsweise Vorfahrtsverletzungen oder auch die meisten Überholunfälle. Bei anderen Abläufen stellt sich die Frage, ob möglicherweise ein technischer Mangel den Verkehrsunfall ausgelöst haben könnte. Hierzu zählen insbesondere Gegenverkehrsunfälle oder Einzelunfälle mit Abkommen von der Fahrbahn. In diesen Fällen beauftragt die Staatsanwaltschaft meist unmittelbar nach dem Unfall einen Sachverständigen mit entsprechenden Untersuchungen.Hierbei sind insbesondere folgende Baugruppen zu untersuchen:
- Bremsen
- Lenkung
- Fahrgestell/Achsaufhängungen
- Reifen
Der häufigste Mangel an Pkw-Bremsen sind vollständig abgefahrene Bremsbeläge. Dieser Mangel führt zwar nicht zu einem Totalausfall der Bremsanlage, der Bremsweg kann sich jedoch deutlich verlängern und es kann zu einer mehr oder weniger ausgeprägten einseitigen Bremswirkung kommen. Weiterhin treten häufig Undichtigkeiten am Hauptbremszylinder oder an den Radbremszylindern auf. Ein Leck am Hauptbremszylinder führt zu einem allmählichen Entleeren des Vorratsbehälters und es kann Luft in die Bremsanlage gelangen. Der Fahrer bemerkt dies daran, dass sich das Bremspedal immer weiter durchdrücken lässt und sich kein harter Druckpunkt bei der Pedalbetätigung mehr aufbauen lässt. Diese Entwicklung erfolgt sehr allmählich, aber nur bei einem absolut technischen Laien wäre es vorstellbar, dass dieser Mangel nicht lange vor dem endgültigen Ausfall der Bremsanlage bemerkt wird. Leckstellen an Radbremszylindern sind schwieriger durch den Fahrer festzustellen. Sie führen dazu, dass die Bremsanlage verölt und die Bremswirkung dadurch an einem Rad stark verringert wird. Auch hier kommt es in der Regel zu einem einseitigen Ziehen der Bremsanlage.
Der Ausfall der ABS-Anlage ist vom Fahrer in jedem Fall beherrschbar, da alle Funktionen einer normalen hydraulischen Bremsanlage erhalten bleiben. Zudem wird der Ausfall in der Regel nicht erst während des Unfallablaufs, sondern bereits in den Tagen zuvor auftreten. In diesem Fall wird der Fehler in der Regel durch das Aufleuchten einer Warnlampe am Armaturenbrett signalisiert.
Mängel an der eigentlichen Lenkungsanlage (Lenkgetriebe) von Pkw, die zu einem plötzlichen Versagen der Lenkung führen, sind extrem selten. Häufiger kommt es zum Abriss einer Vorderradführung durch ausgeschlagene Übertragungselemente (Spurstangenköpfe). Das Vorderrad löst sich hierdurch aus seiner Führung und klappt seitlich weg. Dies führt bei höherer Geschwindigkeit dazu, dass das Fahrzeug nicht mehr beherrscht werden kann.
Technische Mängel an der Karosserie, am Fahrgestell oder an den Achsaufhängungen treten insbesondere bei älteren, schlecht gewarteten Pkw auf, die bereits starke Korrosionsansätze zeigen. Bei einer Durchrostung der tragenden Teile der Achsbefestigungen an der Karosserie kann die gesamte Achsaufhängung plötzlich abreißen. Geschieht dies bei höheren Fahrgeschwindigkeiten, wird das Fahrzeug sofort unbeherrschbar. Dieser sehr gefährliche technische Mangel wird nach einem Verkehrsunfall nicht immer als unfallauslösend erkannt, da er aufgrund der starken Unfalldeformationen verdeckt ist. Bei älteren Fahrzeugen mit hohen Laufleistungen besteht auch die Gefahr, dass sich Achsteile infolge starken Verschleißes, insbesondere der Achslager plötzlich lösen.
Reifenschäden sind die am häufigsten vertretenen unfallauslösenden Mängel an Kraftfahrzeugen. Sie können folgende fünf Ursachen haben:
- zu geringer Luftdruck
- starke Überlastung durch Überschreiten der für den Reifen zulässigen Geschwindigkeit oder Überladung
- oberflächige, im Fahrbetrieb entstandene Verletzungen als Auslöser (Einstiche ohne direkten Luftverlust)
- unsachgemäße Montage (Wulstverletzungen beim Aufziehen)
- Fertigungsmängel
Die erste Frage, die sich bei der Untersuchung eines drucklosen, an einem Unfallwagen montierten Reifens stellt, ist der Zeitpunkt des Schadeneintritts. Wenn der Reifenschaden bereits vor dem Anstoß oder Überschlagvorgang entstand, dann spricht alles dafür, dass der Reifenschaden diesen Unfall auslöste. Ist er dagegen während eines Anstoßvorganges oder in der Auslaufphase durch weitere Anstöße, wie z.B. Bordsteinkantenkontakt oder einem Überschlagen des Fahrzeuges entstanden, dann ist er Unfallfolge und damit bedeutungslos. Ein entsprechend qualifizierter Sachverständiger ist durch Begutachtung der Unfallspuren und des Reifens in der Lage, einen unfallauslösenden technischen Mangel an einem Reifen zu erkennen. Liegt er vor, handelt es sich nahezu immer um einen Dauerschaden, der bereits längere Zeit vor dem Defekt angelegt war und sich bis zum Totalausfall langsam vergrößerte. Dieser Vorgang hinterlässt gut auswertbare Spuren am Reifen. Wird dagegen ein Reifen bei einer Kollision mit einem Hindernis oder einem anderen Fahrzeug beschädigt, erfolgt im prallgefüllten Zustand des Reifens eine plötzliche äußere Gewalteinwirkung, der Reifen platzt auf oder wird von der Felge gedrückt. Dies führt zu einem völlig anderen Spurenbild. Von den Unfallbeteiligten werden unfallursächliche Reifendefekte oft nach Verkehrsunfällen behauptet. Eine eindeutige Aufklärung ist im allgemeinen nur dann möglich, wenn entweder vor der Kollision eine ausgeprägte Reifenspurzeichnung vorlag und auch fotografisch dokumentiert ist oder wenn der Reifen untersucht wird. Unter strafrechtlichen Gesichtspunkten lässt sich oft nicht ausschließen, dass ein nach dem Unfall entlüfteter Reifen das Geschehen ausgelöst haben könnte. Liegen keine Reifenspuren vor der Kollision vor und steht der Reifen für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, dürfte diese Behauptung aus technischer Sicht nicht widerlegbar sein.
Liegt tatsächlich ein unfallursächlicher Reifendefekt nach der o.g. Auflistung vor, dann kann die genaue Eingrenzung der Ursache von erheblicher juristischer Bedeutung sein. Entsprechende Untersuchungen, bei denen auch moderne technische Hilfsmittel, wie röntgenologische Untersuchungen und Ultraschallprüfung zum Einsatz kommen, werden im allgemeinen nur von speziellen Reifen-Sachverständigen durchgeführt. Liegen Anhaltspunkte für einen unfallursächlichen technischen Mangel vor, ist der Reifen einschließlich der Felge im möglichst unveränderten Zustand an einen Reifen-Sachverständigen abzugeben.
Unfallauslösende technische Mängel an Lastkraftwagen sind wesentlich häufig vertreten als an Personenkraftwagen. Sie sind meist auf Wartungsmängel zurückzuführen. Hiervon betroffen sind leider nicht nur ausländische Fahrzeuge aus den östlichen Nachbarländern, sondern auch inländische Lkw, die den in Deutschland geltenden strengen Sicherheitskontrollen unterliegen. Die meisten technischen Mängel betreffen die Bremsanlage, die im Gegensatz zu Pkw bei schwereren Lkw grundsätzlich auf pneumatischer Basis aufgebaut ist. Alle Steuerungs- und Bedienungsvorgänge der Bremsanlage erfolgen dabei über Luftdruck. Bei schlechter Wartung dieser Anlage können schleichend oder plötzlich Leckagen auftreten, die einen teilweisen oder bei älteren Fahrzeugen sogar einen vollständigen Ausfall der Bremsanlage bewirken können. Als einzige Sicherheitsmaßnahme sind unter diesen Umständen nur noch die sogenannten Federspeicher-Bremszylinder vorhanden, die bei einem Druckabfall in der Bremsanlage über starke Metallfedern die Bremse betätigen. Dabei werden aber nur einzelne Achsen, nicht jedoch alle Räder verzögert. Ein weiterer häufiger Mangel an Lkw-Bremsen sind verminderte Bremswirkungen an einzelnen Rädern durch abgefahrene oder falsch eingestellte Bremsbeläge. Insbesondere bei Anhängern und Aufliegern, die häufig gewechselt werden, sind Wartungsmängel häufig zu beobachten.