Der einfachste Fall einer Geschwindigkeitsrückrechnung liegt vor, wenn eine klar umrissene gut erkennbare Blockierspur vorhanden ist und das Fahrzeug am Ende dieser Spur steht. Unter diesen Voraussetzungen kann aus der Spurlänge eine recht genaue Berechnung derjenigen Geschwindigkeit erfolgen, die bei Beginn des Bremsvorganges vorgelegen hat. Die wichtigste Einflussgröße hierfür ist die Länge der Blockierspur, allerdings wirkt sich eine Verdoppelung der Spurlänge s nicht so aus, dass sich die Geschwindigkeit ebenfalls verdoppelt. Aus der Grundformel:
v2= 2 * a * s
lässt sich ableiten, dass eine Verdoppelung der Spurlänge s zu einem Geschwindigkeitszuwachs von ca. 41 % führt. Wie sich aus der oben genannten Grundformel ergibt, ist der zweite wesentliche Einflussparameter zur Bestimmung der Geschwindigkeit nach der Kollision die über der Bremsstrecke wirkende Verzögerung a. Sie hängt bei einem blockierverzögerten Fahrzeug in guter Näherung nur noch von dem Reibwert zwischen Reifen und Fahrbahn ab. Die technischen Details des Fahrzeugs, wie die Konstruktion der Fahrzeugbremsen oder das Fahrzeuggewicht, spielen demgegenüber praktisch keine Rolle. Auf einer trockenen und griffigen Fahrbahnoberfläche stellt eine Verzögerung von 7,5 m/s² einen Standardwert dar, der gegebenenfalls durch Bremsversuche am Unfallort präzisiert werden kann. Die leicht umgeformte Grundformel zur Berechnung der Geschwindigkeit aus den Bremsspuren lautet:
v = Wurzel (2 * a * s)
Bei Anwendung derartiger Berechnungsformeln ist grundsätzlich darauf zu achten, dass die Werte in den physikalischen Grundeinheiten Meter und Sekunde eingesetzt werden. Damit ist es erforderlich, die in der Praxis übliche Angabe einer Geschwindigkeit in Kilometer pro Stunde in Meter pro Sekunde umzurechnen. Da ein Kilometer 1.000 Meter und eine Stunde 3.600 Sekunden entspricht, ergibt sich als Umrechnungsfaktor von m/s auf km/h der Wert 3,6 (3600 : 1000).
Beispiel: Eine Geschwindigkeit von 10 m/s entspricht exakt 36 km/h und eine Geschwindigkeit von 13,89 m/s genau 50 km/h.
Die Berechnung von Geschwindigkeiten nach dieser Formel kann leicht auf einem Taschenrechner erfolgen, sofern er über eine Wurzeltaste verfügt. Anhaltswerte für trockene und nasse Fahrbahnen lassen sich auch aus der Bremstabelle entnehmen.
Der Anhalteweg setzt sich zusammen aus dem Reaktionsweg, der in einer Sekunde durchfahren wird und dem Bremsweg bis zum Stillstand des Fahrzeuges. Die Wahl der Vollverzögerung gibt in Gutachten immer wieder Anlass zu Diskussionen. Im Folgenden werden einige Standartwerte genannt, die bei verschiedenen Fahrbahnverhältnissen herangezogen werden können (siehe auch Bremstabelle).
- Trockene Fahrbahn:
- Pkw 7 bis 8 m/s²
- Krad 5 bis 9 m/s² (im Wesentlichen abhängig von der Fahrerfahrung)
- Lkw bis 5 bis 7 m/s² (im Wesentlichen abhängig von der Bremsleistung und der Beladung, vorgeschriebene Mindestverzögerung 4 m/s²)
- Nasse Fahrbahn:
- Pkw 6 bis 7m/s²
- Krad 4 bis 7m/s² (im Wesentlichen abhängig von der Fahrerfahrung)
- Lkw 4 bis 6m/s²
- Schnee- und Eisglätte:
- Bremsvorgänge auf Schnee 1,5 bis 3,5 m/s² (stark abhängig von Schneebeschaffenheit und Bereifung) Eisglätte ca. 1 m/s²