Fahrtenschreiber (Permanent)
Bauart
Permanent Schreiber, der kontinuierlich die Fahrbewegung eines Fahrzeugs aufzeichnet. Nach der EWG-Verordnung 1453/70 ist ein Permanentschreiber für Lkw und Omnibusse vorgeschrieben. Sie werden als EG-Fahrtschreiber bezeichnet und dienen als Nachweis für die Arbeits- und Ruhezeiten des oder der Fahrer. Als willkommener Nebeneffekt können die aufgezeichneten Geschwindigkeiten zur Verkehrsüberwachung und zur Rekonstruktion von Verkehrsunfällen herangezogen werden.
Die zurzeit verwendete Diagrammscheibe besteht aus einem festen Papier, das mit einer dünnen Registrierschicht versehen ist. Hierauf wird die Geschwindigkeit mittels einer feinen Nadel eingeritzt, so dass das dunkle Basispapier zum Vorschein kommt. In dem Gerät erfolgt eine Aufzeichnung der Geschwindigkeit über die Zeit; die Scheibe dreht sich, gesteuert durch das eingebaute Uhrwerk, einmal in 24 Stunden. Der Geschwindigkeitsabgriff befindet sich meist am Getriebeausgang, so dass genauer gesagt, die Drehgeschwindigkeit der Antriebsräder gemessen wird. Um hieraus die tatsächliche Geschwindigkeit zu erhalten, sind Einstell- und Eichvorgänge erforderlich, die im Rahmen der Fahrtschreiberüberprüfung alle zwei Jahre durchgeführt werden.
Funktionsweise
Die Scheibe dreht sich in 24 Stunden um 360°, d.h., pro Stunde erfolgt eine Verdrehung um 15°, pro Minute um 0,25° und pro Sekunde nur um 0,0042°. Unfallvorgänge spielen sich innerhalb weniger Sekunden ab, üblicherweise vergeht zwischen dem Realisieren einer Gefahrensituation durch den Fahrer und dem Anstoß nur eine Zeitspanne von 1 bis 3 s. Es ist deshalb sehr problematisch, Vorgänge der Unfallentwicklung, wie Beschleunigung oder Verzögerungen des Lkw zuverlässig aus diesen Daten zu ermitteln. Die Verdrehung der Scheibe innerhalb dieser kurzen Zeitspannen beträgt nur ein Bruchteil der Breite des Schreibstiftes. Deshalb können derartige Auswertungen nur mit aufwendigen Spezialgeräten durchgeführt werden.
Auswertung
Das bekannteste Institut hierfür befindet sich bei der Firma Mannesmann-Kienzle, VDO Kienzle, Postfach 1640, 78006 Villingen-Schwenningen. Ein Beispiel für eine Auswertung zeigt die Skizze unten in 67. Wie Kontrollversuche gezeigt haben, gelingt es den hierauf spezialisierten Sachverständigen der Firma Mannesmann-Kienzle, die Fahrvorgänge anhand von Tachografenscheiben-Aufzeichnungen verhältnismäßig genau auszuwerten. Systembedingt treten jedoch einige Schwierigkeiten auf:
Fehler bei der Aufzeichnung und Auswerteprobleme
Sogenannte Kriechfahrten unterhalb von 7 km/h werden überhaupt nicht auf der Scheibe aufgezeichnet. Bewegt sich also ein Lkw mit Schrittgeschwindigkeit, wird überhaupt kein Fahrvorgang registriert. Die fehlenden Aufzeichnungen unter 7 km/h haben auch Auswirkungen auf die Rekonstruktion eines Anfahrvorganges, wie er beispielsweise bei einer Vorfahrtsverletzung des Lkw durchgeführt wird. Aus der Scheibe lässt sich nur mit größeren Toleranzen ermitteln, ob dieser Anfahrvorgang allmählich oder zügig erfolgte. Allgemein haben unsere Untersuchungen ergeben, dass die Geschwindigkeitsaufzeichnungen, und hier insbesondere die Ausgangsgeschwindigkeit eines Fahrzeuges vor der Einleitung eines Bremsvorgangs verhältnismäßig genau ermittelt werden können. Hier liegt die maximale Toleranz laut der Auswertung der Firma Kienzle zwar bei ± 3 km/h, die Praxis zeigt aber, dass die heute verbreiteten elektronischen Tachographen im Anschluss einer neu Kalibrierung nur noch Geschwindigkeitsfehler von weniger 1 km/h als aufweisen.
Wesentlich ungenauer sind Auswertungen von Wegstrecken, die ein Fahrzeug zwischen zwei eng zusammenliegenden Zeitpunkten (bis fünf Sekunden) zurückgelegt hat oder auch die zwischen zwei Zeitpunkten ermittelte mittlere Verzögerung oder Beschleunigung.
Insbesondere bei starken Bremsvorgängen können große Fehler bei der Streckenbestimmung auftreten. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass systembedingt größere Toleranzen bei der zeitlichen Auswertung auftreten. Da aus dem Geschwindigkeits-Zeit-Verlauf die übrigen Werte berechnet werden, wirken sich hier Ungenauigkeiten sehr stark aus (vertiefend hierzu: Hugemann/Schimmelpfennig, Der Verkehrsunfall 30 (1992), S. 49 bis 59). Unter bestimmten Bedingungen führt ein Kollisionsereignis zu einer atypischen Aufzeichnung des Schreibstiftes auf der Fahrscheibe. Bedingung hierfür ist, dass das Führerhaus des Lkw, insbesondere im Bereich des Armaturenbrettes stärker erschüttert wird. Hiervon ist aber nicht bei allen Lkw-Kollisionen auszugehen. Bei leichteren Anstoßvorgängen, bei Streifkollisionen und bei in weitere Entfernung zum Führerhaus liegenden Anstoßpunkten erfolgt in der Regel keine Aufzeichnung des Kollisionsereignisses, da keine hinreichend starke Erschütterung des Führerhauses vorliegt.
Ohnehin ist es problematisch, aus diesen Erschütterungen auf die Höhe der Kollisionsgeschwindigkeit zurückzuschließen. Oft wird fälschlicherweise in Rekonstruktionsgutachten angenommen, dass der sich aus der Aufzeichnung ergebende Geschwindigkeitswert bei der Erschütterung der tatsächlichen Kollisionsgeschwindigkeit entspricht. Hiervon ist nur dann auszugehen, wenn gewährleistet ist, dass sich die für die Aufzeichnung herangezogenen Räder des Lkw zum Kollisionszeitpunkt noch ohne größeren Schlupf drehen. Bei einer stärkeren Abbremsung oder gar einer Blockierbremsung ist diese Bedingung nicht mehr erfüllt. Im Gutachten zur Auswertung der Tachoscheibe befindet sich in diesen Fällen der Begriff „zeitloser Abfall des Geschwindigkeitsschreibers“. In diesen Fällen liegen die aufgezeichneten Geschwindigkeiten stets unterhalb der Fahrgeschwindigkeit.
Grundsätzlich sollte nach Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Lkw, die über einen Fahrtenschreiber verfügen, die Tachoscheibe ausgewertet werden. Wurde der Unfall polizeilich aufgenommen, befindet sie sich in der Regel in den Ermittlungsakten. Sollte sie im Rahmen des Ermittlungs- oder Strafverfahrens nicht ausgewertet worden sein, kann dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Allgemeinen auch durch eine Partei veranlasst werden. Wurde die Scheibe nicht sichergestellt, sind Aufbewahrungsfristen zu beachten. Der Lkw-Halter ist nur verpflichtet, die Scheiben ein Jahr aufzuheben. Bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen können aber Fragestellungen zum Unfallablauf durchaus erst später auftreten. Deshalb sollten die Parteien dafür sorgen, dass die Scheibe rechtzeitig zu den Akten gelangt oder ausgewertet wird. In Straßenbahnen und in Eisenbahnzügen befinden sich ebenfalls Fahrtschreiber, die die Fahrbewegung kontinuierlich aufzeichnen. Bei Bedarf können sie ebenfalls ausgewertet werden.