Technische Möglichkeiten zur Aufklärung
In der forensischen (gerichtlichen) Praxis werden sowohl in zivil- als auch in strafrechtlichen Prozessen Sachverständigengutachten eingeholt, um zu untersuchen, ob sich die gegebene Unfallschilderung mit den eingetretenen Beschädigungen vereinbaren lässt oder nicht. Hierzu bestehen aus technischen Gesichtspunkten zwei Aufklärungsmöglichkeiten:
In der ersten Stufe kann untersucht werden, ob die vorhandenen Beschädigungen an dem schädigenden Fahrzeug übereinstimmen mit denjenigen, die an dem beschädigten Fahrzeug vorhandenen sind. Dies wird als Kompatibilitätsanalyse bezeichnet. Lässt sich hier bereits zeigen, dass keine Übereinstimmung vorliegt, braucht in der Regel keine weitere Untersuchung folgen.
Wenn aber Schadenskompatibilität vorliegt, kann durch ein Sachverständigengutachten in der zweiten Stufe noch untersucht werden, ob sich die Unfallschilderung der Beteiligten nachvollziehen lässt. Dies bezeichnet man als Plausibilitätsprüfung. Bei dieser Plausibilitätsprüfung kann sich durchaus ergeben, dass der vorgetragene Unfallablauf in keiner Weise geeignet ist, die Beschädigungsbilder zu erklären. Dabei kommt der Sachverständige also zu der klaren Aussage, dass die Ablaufschilderung in einem Widerspruch zu den objektiven Anknüpfungspunkten wie Fahrzeugschäden, Endstellungen und Unfallspuren steht. In diesen Fällen lässt sich der Betrug also durch die Plausibilitätsbetrachtung eindeutig nachweisen. Wesentlich häufiger gelangt der Sachverständige bei derartigen Plausibilitätsprüfungen jedoch zu dem Ergebnis, dass der Unfallablauf zwar nicht zu krassen Widersprüchen führt, jedoch sehr ungewöhnlich ist. Als Beispiel hierfür sei eine heftige Streifkollision mit einem bereits aus großer Entfernung erkennbaren parkenden Fahrzeug innerhalb einer geraden Streckenführung genannt. Hier kann eine Plausibilitätsbetrachtung als wichtiges Indiz in einer längeren Indizienkette für die absichtliche Herbeiführung eines Unfalls gewertet werden.
In Abhängigkeit von der Betrugsart greifen entweder nur eine der genannten Möglichkeiten oder beide. Vor einem Betrugsprozess ist es sehr wichtig, genaue Kenntnisse über die Vorgehensweise zu haben, pauschales Bestreiten kann dazu führen, dass der Kern der Betrugshandlung im Zivil- oder Strafverfahren nicht herausgearbeitet wird. So lassen sich Widersprüche bei provozierten oder verabredeten Unfällen bei zuvor unbeschädigten Fahrzeugen nur durch eine Plausibilitätsprüfungen aufdecken. Hier ist es unsinnig, in einem Rechtsstreit zu bestreiten, dass die Schadenbilder kompatibel sind. Die Argumentation für ein fingiertes Ereignis sollte sich stattdessen auf die Plausibilität konzentrieren.
In den meisten Fällen stehen die Fahrzeuge für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung und der Sachverständige muss mit den in den Akten enthaltenen Schadenfotografien auskommen.
Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass bereits möglichst früh nach dem behaupteten Unfall die bereits weiter oben genannten Beweissicherungsmaßnahmen von der Versicherung durchgeführt werden.